header aktuelles03

2020 08 22 aktuelles 02

1000 Jahre Frauengeschichte: Gandersheimer Große Frauen im Portrait

Am 8. März ist der alljährliche Weltfrauentag. Bereits seit über hundert Jahren widmet er sich dem Kampf um die Rechte und die Gleichberechtigung der Frauen weltweit. Doch auch in früheren Zeiten ohne Frauenwahlrecht, in denen die Karriereoptionen für das weibliche Geschlecht standardmäßig zwischen hausfräulichem Familienleben oder klösterlicher Klausur lagen, gab es Orte, an denen Frauen Zugang zu Bildung hatten, neue Wege beschritten und für ihre eigenen Rechte einstanden. Ein solcher Ort war das Stift Gandersheim, das älteste Frauenstift im mittelalterlichen Sachsen. Sechs große Frauen im Portrait:

Die Stammmutter: Aeda war die Mutter der Stiftsgründerin Oda und Schwiegermutter des Stiftsgründers Liudolf. Während man über ihr Leben kaum etwas weiß, gedenkt Roswitha ihr in ihrem Gründungsgedicht des Stifts eine besondere Rolle zu. Im Gebet erschien ihr Johannes der Täufer und prophezeite, dass ihre Nachkommenschaft einmal ein Frauenstift gründen und zu den mächtigsten Herrschern auf Erden werde. Er sollte Recht behalten: Ihre Tochter gründete gemeinsam mit ihrem Mann das Gandersheimer Stift; ihr Ururenkel wurde als Otto I. der Große Kaiser des deutschen Reiches – und Aeda damit zur Stammmutter der Ottonen.

Die Kaiserin: Nicht direkt Teil der Stiftsgemeinschaft, aber dem Gandersheimer Stift eng verbunden war Theophanu. Selbst Nichte des oströmischen Kaisers, wurde sie 972 mit dem weströmischen Kaiser Otto II. verheiratet. Das Besondere: Sie war nicht nur Frau des Kaisers, sondern nannte sich co-imperatrix – Mitkaiserin – und regierte nach Ottos Tod sieben Jahre lang allein. In Gandersheim brachte sie ihre jüngste Tochter Mathilde zur Welt; ihre zweite Tochter Sophia wurde später Äbtissin.

Die Literatin: Die wohl bekannteste Gandersheimer Kanonisse war Roswitha. Sie verfasste zahlreiche Legenden, Dramen und historische Dichtungen auf Latein. Ihr Werk ist Zeugnis ihres literarischen Talents und steht beispielhaft für die Bildung, die Frauen im Gandersheimer Stift genossen. Ihre Gesta Ottonis belegen das enge Verhältnis zwischen dem Stift und der ottonischen Kaiserfamilie. Roswitha gilt als erste deutsche Dichterin. In Bad Gandersheim erinnern zahlreiche Denkmäler, die Domfestspiele oder der Roswitha-Literaturpreis für Literatinnen an die außergewöhnliche Frau.

Die Politikerin: Sophia war Tochter Ottos II. und Theophanus und wurde schon als Kleinkind ins Gandersheimer Stift gegeben, um dort erzogen zu werden. 1002 wurde sie zur Äbtissin gewählt. Sophia mischte auf höchster politischer Ebene mit: Am Hof ihres Bruders Otto III. war sie politische Beraterin; bei ihrer Einkleidung im Gandersheimer Stift stand sie eigenwillig für ihre Rechte ein und provozierte damit den sogenannten Gandersheimer Streit zwischen dem Hildesheimer Bischof und dem Mainzer Erzbischof um die Vorherrschaft über das Stift. Er wurde erst über dreißig Jahre später, lange nach Sophias Tod, beigelegt.

Die Glaubenskämpferinnen: Im 16. Jahrhundert sah sich die Stiftsgemeinschaft einer neuen Bedrohung gegenüber, die ihre gesamte Daseinsberechtigung in Frage stellte: der Reformation. Während die weltliche Politik, nämlich die Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel, den neuen Glauben bereits angenommen hatten und nun auch das Stift zur Reformation zwingen wollten, hielten die beiden Schwestern Magdalena und Margareta von Chlum, nacheinander Äbtissinnen, dagegen. Sie schützten damit nicht nur ihren Glauben, sondern verteidigten auch die Unabhängigkeit des Stifts gegen den Landesherrn. Erst 1589, nach dem Tod Margaretas, wurde das Stift vollends evangelisch.

Die Fürstin: 1713 bestieg Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen den Äbtissinnenstuhl. Elisabeth entstammte zwei bedeutenden Fürstenhäusern, war gebildet und vielseitig interessiert. In ihrer mehr als 50-jährigen Amtszeit verhalf sie dem Stift mit umfangreichen Bauprojekten und hochkarätigen Kunstsammlungen zu einer neuen kulturellen Blüte. Durch ihre geschickte Imagepolitik bekam das Stift zahlreiche neue Mitglieder, erlebte dadurch einen wirtschaftlichen Aufschwung und wurde zu einem Ort hochadliger Repräsentation.

Fast 1000 Jahre lang war das Gandersheimer Stift ein Ort von und für große Frauen. Hier bekamen sie Handlungsspielräume und Mitsprachemöglichkeiten, die sie andernorts kaum hätten finden können. „Gleichberechtigt“ im Idealsinne war ihr Leben sicherlich nicht; eine Inspiration, auch für die moderne Frauenbewegung, sind sie aber allemal!

Wenn Sie mehr über die großen Frauen des Gandersheimer Stifts erfahren möchten, besuchen Sie die Ausstellungen des Portals zur Geschichte, „Starke Frauen – Feine Stiche“ und „Barocke Sammelleidenschaft“ auf dem Klosterhügel Brunshausen. Die Ausstellungen sind im März samstags und sonntags von 11-17 Uhr geöffnet, samstags um 14 Uhr gibt es eine öffentliche Führung.

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies).
Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.