Clus Massaker

Zur Erinnerungskultur

in Bad Gandersheim


  • (1945–1946) Erste Konfrontation mit den NS-Verbrechen

    Im Juni 1945 wurden auf Veranlassung der britischen Militärregierung, die bei der Räumung des KZ-Außenkommandos Brunshausen ermordeten Häftlinge exhumiert und auf dem Salzbergfriedhof bestattet. Die Bevölkerung wurde dabei mit den Verbrechen des Nationalsozialismus konfrontiert. Ein Jahr später fand zum ersten Jahrestag der Erschießungen eine öffentliche Gedenkfeier statt.

  • (1946–1970er Jahre) Lückenhafte Erinnerungskultur

    In den folgenden Jahrzehnten blieb eine systematische Erinnerungskultur weitgehend aus. In der regionalen Geschichtsschreibung fand das „Dritte Reich“ kaum Erwähnung. 1953 wurde der jüdische Friedhof wieder instandgesetzt und von der Stadt gepflegt. Auch das Ehrenmal für die Opfer des KZ-Außenkommandos wurde erst 1978 renoviert und seine Pflege von der CDU-Frauenvereinigung übernommen.

  • (1979–1980er Jahre) Erste internationale Kontakte und Gedenkinitiativen

    1979 besuchten ehemalige Brunshausen-Häftlinge aus Frankreich die Stadt und wurden offiziell empfangen. Die Friedensbewegung führte ab 1980 eine kontinuierliche Erinnerungskultur ein. Die erste öffentliche Gedenkveranstaltung fand am 08.05.1980 statt. Forderungen nach weiteren Gedenkstätten stießen jedoch auf Widerstand im Stadtrat und Vorbehalte in der Bevölkerung führten teilweise zu heftigen persönlichen Anfeindungen gegenüber Aktivisten.

  • (1985–1990er Jahre) Konflikte um Erinnerungstafel und institutionelle Einbindung

    1985 eskalierten die Auseinandersetzungen um die Erinnerungskultur, als eine Gedenktafel an der Klosterkirche Brunshausen geplant wurde. Nach kontroversen Textänderungen wurde sie angebracht. Seitdem findet jährlich am 04. 04. eine Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Evakuierung des Lagers Brunshausen statt. Ab Ende der 1980er Jahre übernahm auch die Stadtverwaltung durch die Leiterin des Heimatmuseums eine aktive Rolle in der Erinnerungsarbeit.

  • (1990er–2000er Jahre) Vertiefung der historischen Forschung und internationale Projekte

    In den 1990er Jahren wurde die Geschichte der Juden in Gandersheim erforscht und publiziert. Die Stadt zeigte mehrere Wanderausstellungen zur NS-Verfolgung, insbesondere für Schulklassen. 2002 wurde die Aufführung „Der Schmerz“ mit Texten des Brunshausen-Überlebenden Robert Antelme inszeniert. Zudem wurde der Weg zwischen der Klosteranlage und der Erschießungsstelle in „Robert-Antelme-Weg“ umbenannt. 

  • (2000er–heute) Publikation und Mahnmal

    2005 erschien die deutsche Fassung eines französischen Gedenkbuch-Projekts zum Außenkommando Brunshausen. 2006 wurde das Mahnmal auf dem Salzbergfriedhof instandgesetzt. Die jährlich stattfindende Gedenkfeier am 04.04. wird in Zusammenarbeit mit Gandersheimer Schulen durchgeführt. 

  • (2010er–heute) Jüngste Entwicklungen und Herausforderungen

    Durch die Initiativgruppe STOLPERSTEINE konnten im Rahmen des gleichnamigen Kunst-Projekts von Gunter Demling am 09.12.2019 erstmals Stolpersteine verlegt werden: vier für die Familie Bendix und fünf für die Familie Rosenbaum. Die Ausstellung „ … und sie waren Nachbarn. Die jüdischen Familien Bendix und Rosenbaum in Bad Gandersheim“ informierte zu den Schicksalen der Familienangehörigen. Das zur Ausstellung erschienene Buch erfuhr 2024 eine Neuauflage. Am 25.10. 2022 wurden am Kloster Brunshausen 18 weitere Stolpersteine verlegt. Diese erinnern an die Kinder, die in der „Kinderpflegestätte Brunshausen“ 1944/1945 ihr Leben verloren.

Erläuterungen

Erinnerungskultur


Die Erinnerungskultur umfasst die gesellschaftlichen und individuellen Formen des Gedenkens an historische Ereignisse und Personen. Dazu gehören Denkmäler, Museen und Gedenktage, aber auch künstlerische und literarische Werke. Sie hilft uns, die Vergangenheit zu bewahren, aus ihr zu lernen und unser gemeinsames Geschichtsbewusstsein zu stärken.

Gedenken

 

Gedenken bezeichnet das bewusste Erinnern an vergangene Ereignisse, insbesondere an Menschen und Schicksale, die nicht in Vergessenheit geraten sollen. Es kann öffentlich oder privat stattfinden und äußert sich in Zeremonien, Schweigeminuten, Denkmälern oder persönlichen Reflexionen. Gedenken dient der Wertschätzung und Mahnung für die Zukunft.

Massaker

 

Massaker bezeichnet brutale Massenmorde, die von nationalsozialistischen Behörden oder der Wehrmacht verübt wurden. Solche Verbrechen ereigneten sich insbesondere während des Zweiten Weltkriegs und richteten sich gegen Zivilist:innen, Kriegsgefangene und Widerstandskämpfer:innen. Sie wurden oft aus rassistischen, politischen oder ideologischen Motiven begangen und dienten der Unterdrückung und Vernichtung bestimmter Bevölkerungsgruppen.

Todesmarsch

 

Todesmärsche fanden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs statt, als die Nationalsozialisten begannen, Konzentrations-lager aufzulösen. Gefangene wurden unter unmenschlichen Bedingungen zu Fuß über lange Strecken getrieben – oft ohne Nahrung, Wasser oder angemessene Kleidung. Viele starben an Erschöpfung, Kälte oder wurden von den Bewachern erschossen. Diese Märsche waren Teil der systematischen Vernichtungsstrategie und richteten sich besonders gegen Häftlinge, die als „Zeugen“ der NS-Verbrechen galten.